Autobild Unfallschadensteuerung

Vorsicht Unfallschadensteuerung: Wer den Schaden hat …
… braucht meistens Hilfe. Doch Vorsicht bei Versicherungs-Notrufnummern. Das großzügige Angebot soll sparen helfen – auf Seiten der Versicherung.

Kfz-Versicherer stecken im Dilemma: Auf der einen Seite zwingt die wechselwütige Kundschaft sie zu immer günstigeren Tarifen. Auf der anderen Seite müssen Millionenbeträge aus Haftpflicht- und Kaskoschäden bezahlt werden. Kurz, viele Versicherer zahlen drauf. Um die roten Zahlen wieder schwarz zu kriegen, erfanden sie daher die so genannte Schadensteuerung.
Motto: Wenn schon der Crash nicht vermeiden ist, lassen sich doch die Kosten drücken. Zum Beispiel mit günstigen Werkstattreparaturen. Dazu muss der Unfallwagen natürlich in eine Werkstatt, die günstiger als andere repariert. Wie kriegt man den Kunden dazu? Über ein Rundum-Sorglos-Angebot. Der Autofahrer muss nur eine Notfallnummer anrufen, die komplette Schadenabwicklung übernimmt die Versicherung.
Für den Kunden praktisch, er muss sich um nichts weiter kümmern. Für die von der Versicherung beauftragte Werkstatt attraktiv, sie bekommt einen Reparaturauftrag. Für die Versicherung profitabel, denn sie kann die Kosten kontrollieren. Sprich bei der Werkstatt Rabatt fordern, eigene Gutachter beauftragen und Streitereien mit Anwälten vermeiden.

So ein Notruf-Sorglos-Telefon gibt es zum Beispiel von Motorcare, Dienstleister für Versicherungen. Deren Kundenangebot klingt toll: Hol- und Bringservice vom Auto, kostenloser Mietwagen plus Fahrzeugreinigung. Trotzdem hat Friedrich Nagel, Präsident des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF), seinen Werkstatt-Vertrag mit Motorcare gekündigt. Und anderen empfohlen, gleiches zu tun, wenn der wirtschaftliche Druck der Versicherer oder Dienstleister auf die Werkstatt zu groß wird.
„Der Auftraggeber für die Werkstätten ist zwar der Kunde. Doch immer mehr Versicherer versuchen den Kunden in genehme Werkstätten zu lenken“, sagt Nagel. „Dann kann die Versicherung über die Reparaturkosten verhandeln und Druck ausüben.“ Im Klartext: die Stundenverrechnungssätze diktieren.
„Die Werkstatt wird von der Versicherung abhängig was Auftragsvolumen und Reparaturpreis betrifft“, erklärt Nagel. Weil Motorcare auch noch fünf Prozent vom Reparaturpreis für die Vermittlung kassiert, rechnet sich der Auftrag kaum oder gar nicht mehr. Und: Über die Vergabe der Aufträge können billige gegen teure Werkstätten ausgespielt werden. „Das ist für mich unseriös“, stellt ZKF-Präsident Nagel fest. „Die Qualität der Unfallreparatur muss im Vordergrund stehen.“

Denn durch diese Kostenschraube wird letztlich Einfluss auf die Qualität der Reparatur genommen. Am Ende kommen die Kunden zu kurz, wie der Berliner Gutachter Roberto Galifi als Bezirksgruppenvorsitzender des Verbandes der unabhängigen Kraftfahrzeugsachverständigen (VKS) berichtet. „Da wird beispielsweise statt einer kompletten Seitenwand nur ein Teil ausgetauscht. Das spart der Versicherung natürlich Kosten beim Haftpflichtschaden. Hat der Kunde dann einen selbstverschuldeten Unfall erneut an dieser Stelle, muss er das ganze Seitenteil austauschen lassen, eine billige Teilreparatur ist nicht mehr möglich. Insofern ist der Kunde schlechter gestellt als vor dem ersten Unfall und weiß davon nicht mal etwas.“
Weiterer Spartrick der Versicherungen: Der Wertminderungs-Ausgleich bei reparierten Unfallfahrzeugen würde oft nicht gezahlt, berichtet Galifi. Ganz zu schweigen bei der Abrechnung eines Totalschadens, wie es in der neuen Rechtsprechung festgelegt ist. Jörg Elsner von den Verkehrsanwälten im Deutschen Anwaltverein (DAV).: „Wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, bleibt der Restwert ohne Anrechnung. Sprich die Versicherung darf den Restwert von ihrer Zahlung nicht abziehen.“ Das wird von Versicherungen gern verschwiegen.
Kritisch beobachtet der Anwalt deshalb auch ein Deutsch-Polnisches Treffen zwischen Kfz-Versicherern und dem größten polnischen Fiat-Händler in Warschau. Dort wurde ein verunfallter Punto mit geschätzten 9300 Euro Reparaturkosten für 3500 Euro instand gesetzt. Bei Stundenlöhnen von rund 20 Euro kein Problem. In Deutschland sind es für Karosseriearbeiten bis zu 90 Euro. „Vor dem Hintergrund des polnischen EU-Beitritts in 2004 entsteht dort für die Versicherungen ein günstiger Reparaturmarkt“, mutmaßt der Anwalt.

Das sieht der Gesamtverband der Versicherungen (GDV) recht gelassen. „Es wird kaum so sein, dass aus ganz Deutschland Unfallautos zur Reparatur nach Polen gebracht werden“, sagt Pressesprecher Klaus Brandenstein. Aber weil die Kfz-Versicherung ein Zusatzgeschäft geworden sei, müsse auch über Wege nachgedacht werden, die Kosten eines Unfalls zu senken. Dabei soll die Qualität aber nicht sinken, betont Brandenstein. Viele Versicherungen würden anstandslos die Forderungen geschädigter Autofahrer bezahlen.
Viele, aber nicht die üblichen Verdächtigen, sprich die Preisdrücker der Branche. Das räumt Brandenstein ein: „Die versuchen überflüssige Kosten aus ihrer Sicht zu vermeiden.“ Darauf kann sich Jurist Jörg Elsner einen Reim machen: „Es geht um Ansprüche und Rechte der Geschädigten. Je mehr ihnen die Schadenregulierung aus der Hand genommen wird, umso weniger Ansprüche entstehen. Umso günstiger wird der Schaden für die Versicherung.“
Anwälte, Gutachter, Autoclubs, Werkstätten – „die Front gegen die Versicherungen wird immer breiter“, so die Erkenntnis bei Helmut Blümer vom Zentralverband des Deutschen Kfz-Gewerbes (ZDK). Auch wenn das Anliegen der Versicherungen nach Kostenreduzierung zu verstehen sei, die Rechte des geschädigten Autofahrers müssten gewahrt bleiben. Dazu hat der ZDK ein kleines Merkblatt „Unfall – was tun?“ bei seinen Werkstätten ausgelegt. Eine Auflistung mit dem Recht des Autofahrers auf eine Werkstatt seines Vertrauens, einen freien Sachverständigen, Anwalt, Mietwagen oder Nutzungsausfall und Reparaturkosten-übernahme. Hinweise zum richtigen Verhalten bei Verkehrsunfällen gibt es auch auf der Internet-Seite von den Verkehrsanwälten [1].

Dieser Artikel stammt aus autobild.de

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http://www.autobild.de/geld/versicherung/artikel.php?artikel_id=4933
http://www.verkehrsrecht.de

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Ein unabhängiger Gutachter steht jedem Geschädigten zu. Versicherer bieten gerne eigene Sachverständige oder einen Schadenschnelldienst an, um günstiger abzurechnen.