Versicherer zahlen oft zuwenig Schadenersatz
Augen auf bei fiktiver Abrechnung

Der Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e. V. – BVSK – weist darauf hin, dass durch die seit dem 01. 08. 2002 geltende Änderung des § 249 BGB zum Teil erhebliche Verunsicherung eingetreten ist. Der Gesetzgeber hat durch das Schadenersatzrechtsänderungsgesetz die Mehrwertsteuererstattung bei der fiktiven Abrechnung ausgeschlossen. Nach dem neuen Gesetz bekommt man die Mehrwertsteuer nach einem unverschuldetem Verkehrsunfall nur noch dann erstattet, wenn man den Anfall der Mehrwertsteuer durch Vorlage der Reparaturrechnung nachweist.

Jeder Geschädigte sollte demnach sehr genau prüfen, ob vorliegend nicht eine sachgerechte Reparatur in einer Fachwerkstatt in Frage kommt, um nicht auf Mehrwertsteuererstattung zu verzichten.

Äußerst problematisch gestalten sich derzeit nach Mitteilung des größten Zusammenschlusses freiberuflicher Kfz-Sachverständiger sogenannte Totalschadenabrechnungen. In diesen Fällen ist der Wiederbeschaffungswert für ein dem Unfallfahrzeug vergleichbares Fahrzeug Abrechnungsgrundlage. Viele Versicherer sind dazu übergegangen, aus dem Wiederbeschaffungswert 16 prozent Mehrwertsteuer abzuziehen, obschon Gebrauchtfahrzeuge im Handel ganz überwiegend lediglich differenzbesteuert angeboten werden. Differenzbesteuerung bedeutet, dass Mehrwertsteuer nur anfällt auf die Differenz zwischen dem sogenannten Händlereinkaufswert und dem Händlerverkaufswert.

Der BVSK weist darauf hin, dass der Sachverständige bei der Gutachtenerstellung grundsätzlich davon Abstand nehmen sollte, einen 16prozentigen Mehrwertsteueranteil auszuweisen. Vielmehr sollte der Sachverständige im Einzelfall erläutern, ob es sich bei dem Fahrzeug um ein differenzbesteuertes Fahrzeug oder um sogenannte regelbesteuerte Fahrzeuge handelt. Jeder Geschädigte ist gut beraten, wenn er sich mit Hilfe seines Sachverständigen und seines Anwaltes gegen die pauschale Kürzung des Wiederbeschaffungswertes um 16 prozent wehrt.

Bei älteren Fahrzeugen ist häufig festzustellen, dass derartige Fahrzeuge im gewerblichen Kfz-Handel nicht mehr angeboten werden. Der Sachverständige ist in diesen Fällen gehalten, den Wiederbeschaffungswert auf dem sogenannten Privatmarkt zu ermitteln. Fahrzeuge die nur noch auf dem Privatmarkt angeboten werden, werden in aller Regel steuerneutral angeboten. In diesen Fällen ist nach Ansicht des BVSK der Versicherer in keinster Weise berechtigt, Mehrwertsteuer abzuziehen.

Weitere Informationen können über den Zentralruf des BVSK 030-25 37 85 0 abgerufen werden.

Ein ganz normaler Autounfall – und was daraus werden kann …
Eigentlich doch eine harmlose Sache; nichts als Blechschaden und bei der Schuldfrage gab es auch nichts zu deuten. Die Unfallparteien tauschten Namen, Anschriften und Versicherungen aus und die Geschädigte Franziska S. fuhr erst einmal beruhigt nach Hause. Die linke Seite ihres Audi A3 sah zwar etwas zerknittert aus, aber immerhin, das gerade einmal ein gutes Jahr alte Auto war wenigstens noch fahrbereit. Zur großen Überraschung von Frau S. meldet sich bereits am nächsten Morgen in aller Frühe eine freundliche Dame von der Versicherung des Unfallverursachers, die mitfühlend ihr Bedauern zum Ausdruck bringt, dass Frau S. durch den Unfall des Versicherungsnehmers der Versicherung geschädigt worden sei. Man wolle ihr selbstverständlich alle Unannehmlichkeiten abnehmen und sich um die Instandsetzung ihres Fahrzeuges persönlich kümmern. Bei soviel Freundlichkeit wäre Frau S. besser nachdenklich geworden. Doch so wurde nun aus einem eigentlich harmlosen Unfall eine schier unendliche Geschichte. Die freundliche Versicherung ließ ihr Fahrzeug noch am selben Vormittag abholen und „großzügigerweise“ stellte man Frau S. einen schicken Renault Twingo für die Dauer der Reparatur zur Verfügung. Nach 5 Tagen bekam sie ihr Auto zurück und erhielt sogar noch per Verrechnungsscheck 200,00 € für die so genannte merkantile Wertminderung. Die Reparaturrechnung der Werkstatt, die Frau S. zwar nicht kannte, die aber immerhin damit warb, Vertrauensbetrieb der Versicherung des Unfallverursachers zu sein, belief sich auf 5.000,00 € und war selbstverständlich durch die freundliche Versicherung bereits ausgeglichen. Auf den ersten Blick erschien Frau S. dies wie der perfekte Service. Nur wenige Wochen später traten nun aber Probleme auf. Der schöne Audi zog nach links, was Frau S. selbstverständlich veranlasste, sofort ihren Audi-Betrieb aufzusuchen. Schließlich habe das Fahrzeug zwei Jahre Garantie, machte sie dem Annahmemeister im Audizentrum deutlich. Frau S. fiel nun aus allen Wolken, als man ihr mitteilte, dass der Schaden durch eine unsachgemäße Reparatur eines Unfallschadens verursacht worden sei. Die Kosten einer Reparatur der Lenkung beliefen sich auf 1.000,00 €, die nicht durch die Garantie gedeckt seien. In diesem Zusammenhang wurde Frau S. auch noch darauf hingewiesen, dass durch die Reparatur in einer nicht autorisierten Werkstatt ohnehin die vom Hersteller gewährte zweijährige Garantie erloschen sei. Schwierig sei es nun auch, nach Ablauf der Garantie für nach der Garantiezeit auftauchende Mängel Kulanz zu erhalten.

Jetzt begab sich Frau S. zu einem Rechtsanwalt, der ihr leider bestätigte, dass der Lenkungsschaden, der auf der unsachgemäßen Reparatur ihres Fahrzeugs beruht, nicht durch die Garantie abgedeckt ist und dass der Garantiegeber berechtigt ist, sein Garantieversprechen daran zu knüpfen, dass das Fahrzeug ausschließlich in seinem Betrieb gewartet und nach einem Unfallschaden instandgesetzt wird. Man könne allerdings versuchen, die Kosten der Reparatur der Lenkung als Schadenersatz bei der Werkstatt geltend zu machen, die den Unfallschaden unsachgemäß behoben hat. Hier allerdings würden nicht unerhebliche Beweisprobleme auftauchen und zudem sei ein Prozess zumindest ohne Rechtschutzversicherung mit einem nicht unerheblichen Kostenrisiko belastet.

Die Überraschungen für Frau S. nahmen allerdings noch kein Ende, als der Anwalt sich der Unfallschadenangelegenheit nochmals annahm. Er wies Frau S. darauf hin, dass ihr als Unfallersatzfahrzeug selbstverständlich ein vergleichbarer Audi zugestanden hätte, und das auch die Wertminderung von 200,00 € mit Sicherheit viel zu niedrig ermittelt worden sei. Bei einem 13 Monate alten Fahrzeug mit einem Neupreis von über 20.000,00 € und Reparaturkosten von mindestens 5.000,00 € sei eine Wertminderung von nur 200,00 € geradezu lächerlich.

Der Rechtsanwalt machte Frau S deutlich, dass sie gut beraten gewesen wäre, statt in die Vertrauenswerkstatt der gegnerischen Versicherung, in ihre Vertrauenswerkstatt zu gehen. In diesem Fall hätte sie sicher sein können, dass Garantie und Kulanz für ihr Fahrzeug nicht gefährdet sind. Mit Sicherheit hätte sie dort ein adäquates Ersatzfahrzeug bekommen oder stattdessen auch die ihr zustehende Nutzungsausfallentschädigung wählen können. Mit Sicherheit wäre sie dort auch auf ihr Recht, einen unabhängigen Sachverständigen und einen Anwalt hinzuzuziehen, hingewiesen worden.

Im übrigen hätte es auch noch schlimmer kommen können, falls es im Nachhinein Streit über den Unfallhergang gibt. Ohne beweissicherndes Gutachten wäre man den Angaben des Versicherers des Unfallgegners hilflos ausgeliefert.

Frau S. jedenfalls ist sich sicher. Sie wird sich nach einem Unfall künftig nicht noch einmal auf Versprechungen des Versicherers einlassen, sondern direkt ihre Rechte wahrnehmen und ihr Fahrzeug in ihrer Fachwerkstatt des Vertrauens instandsetzen lassen. Dieses Recht steht ihr im übrigen nicht nur bei einem unverschuldeten Unfall zu, sondern auch bei einem selbstverschuldeten Kaskoschaden ist das Recht des Autofahrers uneingeschränkt gegeben, die Werkstatt seines Vertrauens anzusteuern. Handelt es sich im übrigen um ein Leasingfahrzeug oder um ein finanziertes Fahrzeug, ist er in aller Regel sogar verpflichtet, seinen qualifizierten Markenbetrieb aufzusuchen.

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